Was bedeutet "autonomer Straßenverkehr" für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung? Das fragt Mathias Haimerl aus Erlangen. Er promoviert an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) und der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) in der Forschung im Bereich "Inklusion im autonomen Straßenverkehr". Mitarbeitende der Moritzberg-Werkstätten der Lebenshilfe Nürnberger Land e. V. sind erneut Teil seiner Studie. Bereits einige Monate zuvor war Haimerl in den Moritzberg-Werkstätten für eine erste Mitarbeiterbefragung. (Wir berichteten!)
Wie werden selbstfahrende Autos in der Zukunft beispielsweise mit Fußgängern kommunizieren? Teilnehmende aus den Moritzberg-Werkstätten unterstützen als Studien-Probanden Haimerls Dissertation. Die Teilnehmenden sind Erwachsene mit kognitiver, teils auch körperlicher Beeinträchtigung, wie Nafiye Kara.
Mathias Haimerl freut sich über das große Interesse aus der Belegschaft der Moritzberg-Werkstätten. „Wir sind stolz,Teil dieser besonderen Studie zu sein“, betont Dietmar Meinlschmidt, Pädagogischer Leiter der Moritzberg-Werkstätten. Das Projekt weckt bei den Teilnehmenden und den Verantwortlichen der Lebenshilfe zudem große Erwartungen in Punkto Inklusion für Menschen mit Behinderung. Haimerl erläutert, dass die Studie zur Kommunikation "Auto-Fußgänger" im Straßenverkehr der erste von vielen weiteren Schritten sein wird. Interessant werden die Ergebnisse insbesondere für die Share-Ökonomie sein, die längst im Kfz-Bereich angekommen ist. Für Personen ohne Führerschein bedeutet dies viel Freiheit. Diese könnten sich aus einem Pool per Smartphone ein Fahrzeug rufen. Das Auto übernimmt fahrerlos den kompletten Hol- und Bring-Service für eine gewählte Zeitspanne für den Passagier.
Beim praktischen Teil wurde die Teilnehmerin Nafiye Kara mit einer sog. VR-Brille ausgestattet.„Ungewohnt, aber nicht schlimm“, so die Teilnehmerin.
Das Gerät trägt Nafiye Kara auf dem Kopf. Es sieht ein bisschen wie eine Ski-Brille aus. Nur, dass die Brille der Teilnehmerin Bilder zeigt und sich bei ihr das Gefühl entwickelt, tatsächlich die Situation, hier eine Verkehrssituation, zu erleben. Beispielsweise soll die Teilnehmerin in der ersten von vier Situationen eine befahrene Straße überqueren; die smarten Autos sollen die Situation erkennen und reagieren.
"Die VR-Brille ist dabei Mittel zum Zweck“, erläutert Haimerl. Die Teilnehmenden befinden sich nur während der Studie in einer sogenannten „virtuelle Realität“. Und das klappt sehr gut, wie die Teilnehmerin Nafiye Kara beweist. Mit der VR-Brille ausgestattet hat die Teilnehmerin alle Aufgaben aus dem Straßenverkehr gemeistert. „Nach jeder Aufgabe befrage ich die Teilnehmenden, wie einfach oder wie schwer sie die Aufgabe beispielsweise körperlich oder geistig für sie war“, erklärt Haimerl. Die Ergebnisse fließen in seine Studie ein. Mitarbeitende aus dem Gruppen- und Sozialdienst beispielsweise nehmen außerdem in einer sogenannten Kontrollgruppe teil.
„Schon im ersten Teil der Studie zeigte sich, dass insbesondere Menschen mit kognitiver Behinderung vom smarten Angebot rund um den autonomen Autoverkehr profitieren werden“, sagt Haimerl. Zusammen mit den Teilnehmenden der Lebenshilfe Nürnberger Land will Mathias Haimerl noch die aktuellen „Schwächen in der Signalisierung“ aufdecken und herausfinden, wie man das Angebot verbessern kann. Üblicherweise wurden auch in dieser Studie die Bedingungen zunächst nur mit einem Fahrzeug getestet. Das Zukunfts-Projekt soll nun alltagstauglicher werden, indem mehr reale Störeinflüsse einbezogen werden. „Noch machen reale Bedingungen, beispielsweise mehrere Verkehrsteilnehmende oder Lichtsignale, Probleme.“ – Haimerl spricht bei den realen Reizen von „kognitive Last“. Die Ergebnisse aus Haimerls Studie „autonomer Straßenverkehr“ sollen in naher Zukunft insbesondere der Industrie helfen, Fahrzeuge mit diesem Knowhow auszustatten. .