Die betreute Stallhelferin Iris Hoffmann hat ein gutes Händchen für Tiere. Ihre Aufgaben im Stall erledigt sie zuverlässig. Die morgendliche Bewegungsroutine der Shetlandponys oder deren Begleitung zum Gras-Frühstück, hier im Foto mit Paul, gehören fest zum Tagesablauf der Stallhelferin.

LAUF-SCHÖNBERG. Die Therapiebegleitpferde spitzen freundlich über die Türen der Stallboxen und gucken, wer sie besucht, während eine schwarze Katze über den Stallboden flitzt. Und das Begrüßungskommando im RTZ, dem Reittherapiezentrum der Lebenshilfe im Nürnberger Land e. V., geht weiter: Regina Renk, Reitanlagen-Managerin des Reittherapiezentrums und Trainerin im Reitsport, sowie die Sozialpädagogin Daniela Vollweiler aus der Frühförderung.

Pferde bewegen Menschen
10 Jahre Reittherapiezentrum – eine Erfolgsgeschichte

• Tiere: 1 Pferd, 6 Ponys, 1 Katze
• Angebot: Reittherapie bzw. Heilpädagogisches Reiten, Reiten als (Breiten-)Sport für Menschen mit Behinderung oder ganz einfach die Nähe zu den Pferden genießen, d. h. diese zu füttern und zu streicheln, zu bürsten, auszumisten, einzustreuen, eben mitzuarbeiten sowie inklusive Kindergeburtstage.
• Reitorte: Reithalle, Reitplatz, Ausritte in der Umgebung.
• Benefit: Therapeutisches Reiten ist ein ganzheitlicher Therapieansatz, der Körper, Geist und Seele des Menschen gleichermaßen anspricht.

Wem die klassischen Pferde zu groß sind, der wird spätestens beim Anblick von „Fritz“ und „Paul“ nur noch verliebt quietschen können: „Sind die süüüüüß!“ Trotz oder gerade wegen ihrer gerade einmal 80 beziehungsweise 90 Zentimeter lassen die beiden Mini-Shetlandponys jedes Herz höherschlagen. Dank ihres niedrigen Widerrists und ihrer freundlichen Art begegnen sie den entwicklungsverzögerten und behinderten Kindern auf Augenhöhe und nehmen allein mit ihrem putzigen Äußeren jegliche Berührungsangst. Die beiden sind, wie ihre fünf großen Verwandten im Stall der Lebenshilfe, kuschel- und reiterprobt. Wem die Ponys dennoch suspekt sind, der kann sich erst einmal an die Katze „Kitty“ halten, die sich über Streicheleinheiten freut.

Die Pferde (ob groß oder klein) helfen in vielen Bereichen: Beim Reiten werden dieselben Muskeln wie beim Laufen bewegt, etliche Rollstuhlfahrer konnten nach langjährigem Reiten sogar einige Meter selbstständig gehen. Einige betreute Mitarbeitende der Moritzberg-Werkstätten, einer weiteren Einrichtung der Lebenshilfe Nürnberger Land, sind so eingeschränkt, dass sie gar nicht reiten können. Ihr Strahlen, wenn sie die Ponys „einfach nur“ knuddeln, spricht Bände.
Neben den genannten Möglichkeiten bietet das Reittherapiezentrum der Lebenshilfe im Nürnberger Land auch sog. inklusive Kindergeburtstage an, d. h. Betreute sind als Mitarbeitende des RTZs stets Teil des Events. Reiten ist übrigens in der 20 mal 20 Meter großen Halle oder auf dem Reitplatz im Freien möglich, Letzterer soll in der kommenden Zeit überdacht werden – die Lebenshilfe freut sich hier über Sponsoren. Noch abenteuerlicher wird es beim Ausritt in der Umgebung; Schönberg bietet dafür die ideale Kulisse.

Sich ausprobieren und auspowern, den eigenen Körper ganz neu erfahren: Reiten bietet viele Facetten. Ein bis dato eher bewegungsmüder Junge wollte am Tag nach seiner ersten Reittherapiestunde wegen der Schmerzen im Bein zum Arzt gehen – bis sich herausstellte, dass der Siebenjährige seine Muskelkater-Premiere erlebte.

Kinder und Erwachsene mit und ohne Behinderung lernen im RTZ ganz nebenher auch viel fürs Leben; beispielsweise, sich auch durchzusetzen. Nicht jedes Pferd – mag es auch noch so goldig aussehen – macht immer das, was es soll. Da muss man eben auch bestimmt auftreten und dem Tier zeigen, wer der Anführer ist. Diese Eigenschaft soll ja auch im „echten“ Leben nicht schaden …

Insgesamt herrscht im Reittherapiezentrum eine lockere Atmosphäre, die von Respekt und Hilfsbereitschaft geprägt ist. Dies liegt insbesondere an der Leiterin Regina Renk. Die 43-Jährige punktet mit ihrer offenen Art und beeindruckt mit einer jahrzehntelangen Expertise rund ums Reiten und die Pferde. Sie hält sowohl die Mitarbeitenden als auch die Tiere sozusagen an der langen Leine; erlaubt viel Freiraum, wo es möglich und sinnvoll ist. Seit sie fünf Jahre alt ist, reitet die gebürtige Berlinerin, die aktiv an Springreitturnieren teilnimmt, diverse Trainerscheine innehat und selbst Pferde züchtet.
Alle betreuten Mitarbeitenden des Reitstalls haben den Pferdeführerschein absolviert. Das Lernen hierfür verlangt Menschen mit Behinderung einiges ab. Zwei Punkte tragen primär zum erfolgreichen Bestehen der Prüfungen bei: Regina Renk und ihre KollegInnen erklären sehr viel und praxisnah, und die MitarbeiterInnen sind von sich aus Feuer und Flamme – und wenn einen etwas begeistert, merkt man sich Lerninhalte eben besser. „Bei der letzten Prüfung durch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) waren die beiden Prüferinnen baff erstaunt, wie viel unsere TeilnehmerInnen mit Behinderung wussten“, erzählt Regina Renk stolz.