Schon zum 16. März wurden alle Tageseinrichtungen der Lebenshilfe Nürnberger Land wegen der Corona-Pandemie geschlossen. – Seit nun fast sechs Wochen dürfen Frauen und Männer mit Behinderung nicht zur Arbeit, Kinder nicht in die Kita oder zur Schule. – Seit vierzig Tagen (Stand heute am 29. April) gelten in Bayern Ausgangsbeschränkungen. Ein Kraftakt besonders für Menschen mit Behinderung, eine Herausforderung für alle Einrichtungen der Lebenshilfe Nürnberger Land rund um Förderung, Therapie, Pflege bis zur Verwaltung.
Viele der rund 350 Arbeitnehmer mit Behinderung der Moritzberg-Werkstätten wohnen in Wohneinrichtungen der Lebenshilfe Nürnberger Land, so wie Eva Greisinger und Martina Leikauf. Beide Frauen leben im Apartmenthaus „Inklusive Wohnwelt“ in Altdorf. „Anfangs war es noch wie Urlaub“, erinnern sich die beiden Frauen. Doch fast sechs Wochen sind es inzwischen, wo sie und alle weiteren Kolleginnen und Kollegen nicht zur Arbeit dürfen.
Mehr noch: In den allen Wohngemeinschaften und -heimen herrscht zudem Besuchsverbot.
Und so feierte Eva Greissinger ihren Geburtstag (FOTO) ohne ihre Schwester. Gesehen haben sie sich beide nur kurz über die Glastür im Eingangsbereich des Wohnheims. Ein leises, ein herzliches Winken, ein Korb mit Süßigkeiten und einem Geschenkpaket.
Eva Greissinger feierte coronabedingt zusammen mit ihren Mitbewohnern der Wohngruppe und mit Betreuern. Für Menschen mit geistiger Behinderung eine große Herausforderung zwischen Verständnis zeigen und nicht verstehen, warum Eltern und Angehörige nicht zum Geburtstag kommen dürfen oder es jetzt keine "Heimfahrwochenenden" gibt.
Auch Ostern feierten die Bewohner ohne ihre Familien. „Wir haben uns die Feiertage so gut und schön gestaltet, wie nur möglich“, erzählt Petra Taubmann, Leiterin des Altdorfer Wohnheims.
„Ich bin dankbar und sehr stolz auf unsere Mitarbeiter“, sagt Gerhard John. Der Lebenshilfe-Chef und seine Vorstandskollegen wissen um den immensen Arbeitseinsatz aller Teams in 24 Einrichtungen der Lebenshilfe. Vor allem all jene, die sich um Betreute in den Wohnheimen kümmern – dort herrscht jetzt rund um die Uhr Betrieb.
Auch die Notbetreuungen in Kitas und Schule, der Notbetrieb in den Werkstätten oder die besonderen Herausforderungen mit großem Ideenreichtum der Erzieher, Lehrkräfte und Pädagogen und Therapeuten, Aufgaben für Kinder und Schüler mit besonderem Förderbedarf individuell über Brief, E-Mail, Telefon oder Online-Chats, bereitzustellen. - Das sei, so John, Homeschooling XXL.
Er selbst leide schon sehr unter der sozialen Distanz zu „seinen Betreuten“, sagt John. Er stehe aber regelmäßig via Videobotschaft oder Whatsapp mit Betreuten in Kontakt, senden mit Ehefrau Inge regelmäßig Grüße.
Die meisten Meetings finden auch bei der Lebenshilfe inzwischen als Telefon- oder Videokonferenz statt. Doch einmal in der Woche trifft sich die Taskforce "Corona" der Lebenshilfe (im Foto vl Norbert Dünkel, Dennis Kummarnitzky, Gerhard John und Jürgen Six) persönlich zur Lagebesprechung.
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Während in den Moritzberg-Werkstätten mit Gruppenpersonal der Notbetrieb aufrechterhalten wird; laufende Aufträge abgearbeitet werden, herrscht in den Wohnheimen nach wie vor seit sechs Wochen Hochbetrieb.
„Wir haben in allen Wohnbereichen bei uns Verstärkung von den Kollegen der Frühförderung oder aus den Werkstätten“, sagt Hanne Hauck, Fachbereichsleiterin Wohnen.
Keiner der Mitarbeiter ist sich zu schade für irgendwelche Tätigkeiten: Es werde bereichsübergreifend zusammengearbeitet, ausgeholfen und Lücken gefüllt.
Homeoffice bedeutet für Betreute, leichte Montagearbeiten und maximal drei Stunden am Tag, einer Tätigkeit nachzugehen. Eine Aufgabe zu haben, ist für die Bewohner gerade jetzt wichtig. Auch beispielsweise die Teilnehmer des Berufsbildungsbereichs der Werkstätten werden regelmäßig mit Aufgaben versorgt.
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In der Wohnstätte am Bitterbach gärtnern viele der Betreuten gern, andere sind sportlich aktiv (FOTO).
Doch Wohnstättenleiter Dietmar Meinlschmidt stellt klar, dass auch hier nur Wohngruppenweise Aktivitäten stattfinden. Seit Schließung der TENE, also der Seniorentageseinrichtung zum 16. März, die sich im selben Haus wie die Wohnstätte befindet, unterstützt das TENE-Team die Kollegen der Wohneinrichtung.
Ebenso ist es im Wohnheim am Haberloh. Dort helfen jetzt Kollegen der Werkstätten und der Förderstätten, die ebenfalls seit dem 16. März geschlossen sind, mit.
Anders als geplant, gestaltete sich auch der erste Arbeitstag von Ute Niesella. (FOTO) Am 15. April hätte sie ihre neue Stelle in den Förderstätten antreten sollen, stattdessen betreut sie derzeit Bewohner im Wohnheim. "Dann lernen wir uns eben nicht in den Förderstätten kennen", tröstet Bewohnerin Jutta Sprenger Ute Niessella, "sondern hier in meinem Zuhause."
Weiterhin bleiben bis auf Weiteres die drei Inklusiven Kitas als auch das Förderzentrum für geistige Entwicklung mit SVE, HPT und Dr. Bernhard Leniger Schule in Lauf-Schönberg, geschlossen. Auch die Frühförderung kann derzeit nur telefonisch und online beraten.
Das Betreuungsangebot der Kitas und der Dr. Bernhard Leniger Schule besteht aus Notgruppen. Für die Kinder, die Zuhause sind, haben die Teams der Kitas und der Schule, ähnlich wie in der Frühförderung, Arbeitsblätter, Spiele oder Geschichten im Angebot. – Eine Herkulesaufgabe für alle Mitarbeiter.
Die Interdisziplinäre Frühförderstelle berät Eltern telefonisch, bietet Online-Therapie – Kinder und Eltern sind dankbar für die Angebote.
„Wir haben mehr als guten Zuspruch von den Kindern und Eltern“, berichtet Norbert Hanke, Chef der Frühförderung. Wir haben vor vier Wochen ein Online-Konzept erstellt, das sich prima in der Praxis erweist.
„Wir haben so viel positives Feedback von Familien“, sagt Hanke – Eltern schreiben uns via WhatsApp und Facebook. Erst heute hat die Mutter der kleinen Steffi geschrieben, wie wichtig für die Familie der Online-Kontakt, der weit mehr als ein telefonischer oder E-Mail-Austausch ist, gerade in dieser coronabedingten Zeit ist.
Unklar bleibt auch, wann und wie beispielsweise Betreute in den Moritzberg-Werkstätten ihre Arbeit in den Montageabteilungen oder im Garten- und Landschaftsbau wieder aufnehmen können. Einige Außenarbeitsplatzmitarbeiter, deren Betriebe wieder offen sind, arbeiten bereits seit 20. April.
Telefonische Beratungen und Hilfen bietet auch der Familienentlastende Dienst. Dennoch ist hier, wegen der Kontaktbeschränkungen, keine persönliche Betreuung möglich – von Gruppenangeboten ganz zu schweigen.
Einziger Silberstreif am Horizont sei, so Lebenshilfe-Chef Gerhard John, dass es Mitarbeitern und Betreuten gut gehe. In den letzten Wochen habe es bei der Belegschaft wie auch Betreuten immer wieder positive Corona-Fälle gegeben. „Zum Glück in allen Fällen weitgehend ohne Symptome bzw. schweren Krankheitsverlauf“, so John und dank schnellen Handelns bzw. Isolierens der betroffenen Personen konnte auch hier eine Ausbreitung verhindert werden.