Die Außenwohngruppe (AWG) der Lebenshilfe Nürnberger Land in Hersbruck feiert heuer ihr 20-jähriges Bestehen. Sieben Frauen und Männer mit Unterstützungsbedarf leben hier in einer Wohngemeinschaft zusammen – begleitet und dennoch selbstständig. Vorfreude herrscht beim gesamten Hausteam.
Nafiye Kara (Foto) ist Bewohnerin der ersten Stunde. Sie zog im März 2004 in das Haus in der Poststraße 5, das längst ihr Zuhause ist. "Natürlich feiern wir das Jubiläum mit unseren Familien und Freunde", erzählt die Bewohnerin. Schon heute öffnet uns Nafiye Kara die Tür und gewährt Einblicke ins WG-Leben, in ihr Leben und wie sie sagt, bei "ihrer Lebenshilfe Nürnberger Land" mit einem fröhlichen "Hereinspaziert!"
"Das ist mein kleines Reich!", sagt Nafiye Kara, als sie die Wohnungstür zu ihrem Apartment im ersten Stock öffnet.
Noch nicht richtig im "kleinen Reich von Nafiye Kara" angekommen, bietet sie mir einen Kaffee an, zeigt mir das Zimmer, das gut ausgestattet ist und sogar Platz für einen Kühlschrank bietet. Ihr Badezimmer ist seperat auf der Etage.
Anargiros Tsopouridis, ist wie Nafiye Kara, seit der ersten Stunde Teil der AWG Hersbruck. "Man kennt sich und die Familie", sagen beide. Zudem sei AnargirosTsopouridis auch ein wichtiger Verbündeter gegen ihre Parkinson-Erkrankung. Beim Homestory-Termin macht Anargiros Tsopouridis gegenüber Nafiye Kara ein Kompliment: "Nafiye, Du bist stark. Eine Kämpferin und für alle hier im Haus ein Vorbild."
Hell und gemütlich ist das Zimmer mit zwei großen Fenstern. Nafiye Kara hat sich ihr Apartment ganz nach ihrem Geschmack eingerichtet. Ihre neueste Errungenschaft ist ein Sessel mit Massagefunktion. Seit sie an Parkinson erkrankt ist, setzt sie auf ganz viel Bewegung und Sport sowie auf gute Entspannung. "Wenn ich nachmittags gegen 14 Uhr von der Arbeit in den Moritzberg-Werkstätten aus Schönberg heimkomme, entspanne ich gern vor dem Fernseher." Am liebsten guckt sie "Unsere kleine Farm".
Sofa und Sessel sind bei Nafiye Kara bequem. Der höheverstellbare Tisch ergänzt das Set perfekt. Der Clou aber ist, dass sich alles elektrisch und per Fernbedienung ein- und ausschalten lässt. Dem Handicap lässt sich damit ein Schnippchen schlagen, findet auch Anargiros Tsopouridis, der als "Haus-Chef" der Meinung, dass man nach Lösungen suchen muss.
Der große, helle Gemeinschaftsraum mit Küche, Ess- und Wohlfühlplatz ist das Herz des Hauses. Hier pulsiert das Leben. Meistens jedenfalls. Am Nachmittag nutzt Nafiye Kara den großen Tisch gern zum Zeitung lesen. Im Sommer bzw. bei gutem Wetter sind die Bewohnerinnen und Bewohner auch gern draußen auf der großen Terrasse.
... und das Konzept der Wohngemeinschaft findet die Bewohnerin gut.
"Mir gefällt, dass man nie allein im Haus ist und doch jeder für sich sein kann." Nachts sind die Bewohner auf sich gestellt und das funktioniert gut. Es ist schon reizvoll, lange wach zu bleiben. Doch sie wisse natürlich, das sie am nächsten Tag früh raus muss, zur Arbeit. "Ich habe noch nie verschlafen", sagt Nafiye Kara stolz.
Dann verät sie, dass sie Kochen toll findet. Oft kocht sie zusammen mit Anargiros Tsopouridis. "Manchmal sind wir auch mehrerere Leute!"
Das gemeinsame Kochen und Essen ist von Anfang an ein wichtiger Teil des Hauses und schafft Gemeinsamkeit und ist gleichzeitig Training für alle Sinne. Denn, so erläutert Anargiros Tsopouridis, erfordere es schon von Nafiye Kara viel Geschick, Zwiebeln, Tomaten oder andere Zutaten, zu schneiden oder eine Zitrone auszupressen.
"Wir haben inzwischen viele eigene Rezepte", erzählt Nafiye Kara. Zum 10-jährigen Hausjubiliäum hat die WG übrigens ein eigenes Kochbuch mit dem Titel "einfachKochen" herausgegeben. Eine Sammlung mit Lieblingsrezepten der Bewohnerinnen und Bewohner. "Alles ist leicht nachzukochen, weil jeder Schritt mit Bild und kurzem Text erklärt ist", ergänzt Anargiros Tsopouridis.
... macht sich eben nicht von alleine. Doch eigentlich will Nafiye Kara gar nicht auf "die administrativen Hausangelegenheiten" eingehen. Das gehöre eben dazu. Für sein Zimmer oder seine Wäsche sagt sie, sei jeder selbst verantwortlich. Und für die Gemeinschaftsräume packen alle an. Doch nicht nach einem "Checklisten-Prinzip"."Wir lassen uns Zeit", betont Anargiros Tsopouridis. Wie gut dies funktioniert - das Haus spricht hier quasi für sich."Die Maxime unserers Hauses lautet frei zusammengefasst: Lebenshilfe heißt für uns Lebensqualität. Die WG steht natürlich im Mittelpunkt, doch jeder hat auch seine Privatsphäre."
Musik ist für Bewohnerin Nafiye Kara wichtig. Manchmal mag sie NDW, dann wieder Rockmusik oder Schlager, oft hört sie türkische oder griechische Folklore. Das käme ein bisschen auf die Stimmung an. Ihr roter Mini-Bluetooth-Lautsprecher ist immer an ihrer Seite und sowas wie ein echter Freund für sie. Sehr gern kocht die Bewohnerin mit Musik, am liebsten passend zum Gericht. Anargiros Tsopourdis und Nafiye Kara scherzen und schmunzeln: "Ja, manchmal machen wir auch Stadtwurst zur Musik".
Die AWG Hersbruck steht darüber hinaus für Sport- und Bewegung, Gesundheit - Wohlbefinden. Hier wurde 2017 die GeWo-Challenge aus der Taufe gehoben. Ein inklusives Sportprojekt, das inzwischen weltweit (!) Beachtung gefunden hat.
Inzwischen gibt es weitere Ideen und Aktionen der Hausgemeinschaft, die Menschen mit und ohne Behinderung, sportlich, kulinarisch oder einfach gesellschaftlich zusammenbringen. Nafiye Kara ist immer mit großer Begeisterun dabei. Stolz zeigt sie Ihre Pokale und Medaillensammlung.